Die Übernahme der Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger bei leistungsfähigem Mitverpflichtetem

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Übernahme restlicher Bestattungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe.

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Die 1957 geborene Klägerin ist die Tochter der am 20.02.1928 geborenen und am 26.05.2012 verstorbenen E. K.. Diese bezog bis zu ihrem Tod vom Beklagten Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme ungedeckter Heimkosten nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII).

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Wegen Überschuldung des Nachlasses der Hilfeempfängerin schlugen sowohl die Klägerin als auch deren Kinder als auch die Geschwister der Klägerin die Erbschaft auf Ableben der Hilfeempfängerin aus (vgl. Mitteilung des Notariates I E. vom 27.07.2012).

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Am 20.06.2012 stellte die Klägerin beim Beklagten den Antrag, die Kosten der Bestattung ihrer Mutter aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen. Hierzu legte sie den Gebührenbescheid des Bürgermeisteramts E. (2.702,00 €) sowie Rechnungen der Firmen Z. Bestattungen (2.131,15 €) und B. Grabmale (987,70 €) vor. Sie sei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, diese Kosten zu begleichen. Nach Ermittlung des Wertes des Nachlasses der Hilfeempfängerin (insgesamt 2.724,56 €, bestehend aus Kapitalversicherung der X-Versicherung: 2.443,00 €, Guthaben Girokonto bei der Volksbank N.: 62,05 €, Geschäftsanteil bei dieser Bank: 59,51 € und Geschäftsguthaben bei der Baugenossenschaft Familienheim E.: 160,00 €) lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin hafte für die Begleichung der Bestattungskosten als Miterbin gesamtschuldnerisch. Nachdem zwei der Miterben bislang keinen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln gestellten hätten, gehe sie davon aus, diese Miterben könnten die gesamten Kosten begleichen. Die Klägerin möge sich an ihre Geschwister wenden (Bescheid vom 17.04.2013).

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Dem dagegen erhobenen Widerspruch gab der Beklagte teilweise statt und erstattete der Klägerin Bestattungskosten in Höhe von 774,07 €; im Übrigen wies er den Widerspruch zurück: Nachdem alle in Betracht kommenden gesetzlichen Erben die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen hätten, seien die Klägerin und ihre drei Geschwister gleichrangig anteilig zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet. Sofern sie die Bestattungskosten insgesamt bereits bezahlt habe, stünden ihr Ausgleichsansprüche gegen ihre Geschwister zu. Es sei Sache der Klägerin, deren Leistungsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen.

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Bestattungskosten seien angefallen in Höhe von insgesamt

        

5.820,85 €.

Unter Abzug des Nachlasswertes von insgesamt

        

2.724,56 €

verblieben ungedeckte Bestattungskosten in Höhe von

        

3.096,29 €.

Der Anteil der Klägerin (ein Viertel) belaufe sich damit auf

        

 774,07 €

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(Widerspruchsbescheid vom 11.02.2014, zwecks Bekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 12.02.2014 zur Post gegeben).

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Deswegen hat die Klägerin am 13.03.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Rechtsauffassung der Beklagten sei unzutreffend. Sie habe die Bestattungskosten lediglich insoweit bezahlt, als dies aus dem vorhandenen Nachlass ihrer Mutter möglich gewesen sei. Auf Ausgleichsansprüche gegenüber ihren Geschwistern müsse sie sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht verweisen lassen (Hinweis auf BSG vom 29.09.2009 - B 8 SO 23/08 R -). Ein solcher Verweis sei allenfalls im extremen Ausnahmefällen denkbar, wenn Ansprüche gegenüber Dritten ohne weiteres realisierbar seien. Ihre Geschwister seien indes nicht bereit, sich freiwillig an den noch offenen Bestattungskosten zu beteiligen. Über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse ihrer Geschwister sei ihr nichts bekannt. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, gegen ihre Geschwister gerichtlich vorzugehen und sich auf einen langwierigen Prozess mit ungewissem Ausgang und einem erheblichen Prozessrisiko einzulassen. Nachprüfbare Unterlagen darüber, welche konkreten Anstrengungen sie in Bezug auf die bestehenden Ausgleichsansprüche gegenüber ihren Geschwistern unternommen habe, könne sie nicht vorlegen. Zwei ihrer Geschwister hätten ihr gegenüber jedoch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, nach erfolgter Erbausschlagung sich nicht an den Bestattungskosten beteiligten zu wollen.

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Im Verlauf des Rechtsstreits übernahm der Beklagte gegenüber Er. K., einem Bruder der Klägerin, ebenfalls Bestattungskosten in Höhe von 774,07 € (Bescheid vom 18.07.2014).

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Die Klägerin beantragt - zuletzt -,

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den Bescheid vom 17. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Bestattung ihrer Mutter weitere 1.548,14 € aus Sozialhilfemitteln zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

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Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 und § 56 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) zulässig. Eine Verpflichtungsklage war nicht erforderlich, weil § 74 SGB XII (nur) einen Anspruch auf Zahlung an den Bestattungspflichtigen selbst normiert (vgl. BGS SozR 4-3500 § 74 Nr. 1 und BSGE 109, 61 ff.), und zwar unabhängig davon, ob die Klägerin die einzelnen die Bestattungskosten betreffenden Rechnungen bereits beglichen hat oder nicht.

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Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide, soweit die Klägerin diese nach Erlass des weiteren Bescheides des Beklagten vom 18.07.2014 gegenüber ihrem Bruder Er. K. - noch - angreift, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Aufwendungen für die Bestattung ihrer Mutter.

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1. Rechtsgrundlage für das von der Klägerin erhobene Begehren ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung (aus Sozialhilfemitteln) übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Bestimmung nimmt im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Zielsetzung ist zwar die Sicherstellung einer der Würde des Toten entsprechenden Bestattung (vgl. BVerwGE 120, 111, 113 sowie LSG Baden-Württemberg, FEVS 62, 214 ff.). Den sozialhilferechtlichen Bedarf stellt indes nicht die Bestattung als solche oder deren Durchführung dar; vielmehr dient die Regelung der Vermeidung einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten durch die Kosten der Bestattung (vgl. BSG, FEVS 61, 337 ff. sowie - noch zur Vorgängerregelung des § 15 des Bundessozialhilfegesetzes - BVerwGE 105, 51, 52 ff.). Der Anspruch auf Kostenübernahme gem. § 74 SGB XII steht damit nicht dem Verstorbenen, sondern demjenigen zu, der verpflichtet ist, die Bestattungskosten zu tragen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).

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2. Wer Verpflichteter nach § 74 SGB XII ist, ergibt sich aus dieser Norm nicht selbst. Die Verpflichtung, die Kosten einer Beerdigung zu tragen, wird in dieser Bestimmung nicht näher umschrieben oder definiert, sondern als anderweitig begründet vorausgesetzt (vgl. BSG, FEVS 61, 337 ff. und LSG Sachsen-Anhalt vom 22.02.2012 - L 8 SO 24/11 B - <juris>). Grundvoraussetzung für eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger gem. §74 SGB XII ist deshalb, dass der Pflichtige den mit der Durchführung der Bestattung verbundenen Kostenverpflichtungen von vorn herein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig treffen (vgl. BVerwGE 116, 287 ff.; 120, 111, 113 f., ferner LSG Baden-Württemberg, a.a.O., LSG Berlin-Brandenburg vom 25.03.2010 - L 15 SO 305/018 - und LSG Sachsen-Anhalt vom 22.02.2012 - L 8 SO 24/11 B - <jeweils juris>). Die Pflicht zur Übernahme der Bestattungskosten kann sich aus privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ergeben, namentlich aus erbrechtlichen (§ 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches <BGB>), aus familienrechtlichen (§ 1615 Abs. 2, 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 und 1615 m BGB), aus einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Verstorbenen oder aus bestattungsrechtlichen Vorschriften in den landesrechtlichen Bestattungsgesetzen - hier: § 31 Abs. 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BestattG - ergeben (vgl. BSG, FEVS 61, 337 ff. und BSGE 109, 61 ff.).

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3. Das erkennende Gericht geht hier angesichts des Umstands, dass nach der Mitteilung des Notariats I E. alle bekannten Erben die Erbschaft ausgeschlagen haben und das Nachlassgericht keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich eventueller sonstiger gesetzlicher Erben aufgenommen hat, davon aus, dass die Klägerin als „volljähriges Kind“ im Sinne von § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattG Bestattungspflichtige ist. Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen - zwischen den Beteiligten nicht umstritten - auch nicht in der Lage, die Kosten der Bestattung ihrer Mutter zu tragen.

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Die Klägerin ist hier jedoch nicht allein Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII. Denn neben ihr waren bzw. sind auch ihre drei Geschwister bestattungspflichtig, und zwar gleichrangig neben der Klägerin, nachdem auch die Geschwister jeweils die Erbschaft ausgeschlagen haben. Die Klägerin und ihre Geschwister haften deshalb für die Kosten der Bestattung der verstorbenen Mutter gem. § 426 BGB als Gesamtschuldner.

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Zu Recht hat der Beklagte die Klägerin hier nach Übernahme der auf diese selbst und den Bruder Er. entfallenden Anteile von jeweils 774,07 € der nach Abzug des Nachlasswertes verbleibenden Bestattungskosten in Höhe von - unstreitig und unzweifelhaft - 3.096,29 € auf einen Ausgleichsanspruch gegenüber den beiden anderen Geschwistern U.C. und P.V. verwiesen, auch wenn deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geklärt sind. Zwar darf der Sozialhilfeträger nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 29.09.2009 -B 8 SO 23/08 R - = SozR 4-3500 § 74 Nr. 1) einem bedürftigen Bestattungspflichtigen, der die Übernahme von Bestattungskosten beantragt hat, nicht Ausgleichsansprüche gegenüber Dritten entgegenhalten, wenn deren Durchsetzung ein gerichtliches Vorgehen mit unsicherem Ausgang erfordert. Dem stehe der in § 2 Abs. 1 SGB XII enthaltenen Nachranggrundsatz nicht entgegen, weil es sich bei dieser Bestimmung nicht um eine isolierte Ausschlussnorm handele, was sich bereits aus dem Wortlaut der Norm ergebe, der nicht auf bestehende andere Leistungsansprüche, sondern auf den Erhalt anderer Leistungen abstelle (vgl. BSG, a.a.O., unter Hinweis auf BSG vom 26.08.2008 - B 8/9 b SO 16/07 R - <Juris>). Eine Ausschlusswirkung ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII sei allenfalls denkbar in „extremen Ausnahmefällen“, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließe und Ansprüche ohne weiteres realisierbar seien. Sei jedoch ein etwaiger Ausgleichsanspruch zweifelhaft oder sogar dessen gerichtliche Durchsetzung erforderlich, weil der Anspruchsgegner die Übernahme der Kosten bereits abgelehnt habe, oder mit gravierenden Unwägbarkeiten verbunden, so dass ein Erfolg der gerichtlichen Durchsetzung unsicher sei, könne es dem Bestattungspflichtigen nicht zugemutet werden, gegen den Ausgleichspflichtigen gerichtlich vorzugehen und sich auf einen langwierigen Prozess mit ungewissem Ausgang einzulassen.

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Der Sachverhalt, über den das BSG am 29.09.2009 im Verfahren S 8 SO 23/08 R zu entscheiden hatte, war jedoch davon gekennzeichnet, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom Nichtbestehen eines Ausgleichsanspruchs ausgegangen werden konnte. Insoweit hält das erkennende Gericht die Entscheidung des BSG auch für zutreffend. Anders stellt es sich jedoch nach Auffassung der Kammer auch mit Blick auf die Begründung der Entscheidung des BSG dar, wenn ein Ausgleichsanspruch nicht mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann und insbesondere der Eindruck entsteht, dass sich ein wirtschaftlich durchaus leistungsfähiges Familienmitglied vor der finanziellen Verantwortung drücken möchte. In diesen Fällen ist eine Einzelfallprüfung erforderlich, die nicht schon mit einer lapidaren Weigerung eines Familienmitglieds zur Kostenübernahme als ausgeschlossen betrachtet werden darf (vgl. insoweit SG Reutlingen vom 14.11.2013 - S 4 SO 1520/12 - <juris>). Ansonsten besteht nämlich die Gefahr von Mitnahmeeffekten. Denn es wäre ein Leichtes, dass Geschwister bei - wie hier - nicht vollständig durch den Nachlass gedeckten Beerdigungskosten das finanziell „schwächste“ Familienmitglied mit einem Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII „vorschicken“. Äußerungen, in denen eine Kostenübernahme gegenüber einem Geschwisterteil abgelehnt werden, sind einfach zu fertigen. Die Frage, welche Ernsthaftigkeit und Berechtigung dahintersteckt, ist eine andere und von Dritten - vor allem dem Sozialleistungsträger oder den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - auch nicht ohne weiteres objektiv zu überprüfen. Selbst wenn eine echte Verweigerungshaltung zugrunde liegen sollte, sieht es die Kammer jedoch nicht als Aufgabe des Beklagten an, bei innerfamiliären Zerwürfnissen und dergleichen, wie sie nach Todesfällen nicht selten auftreten, regelmäßig als „Ausfallbürge“ zur Verfügung zu stehen.

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Vor diesem Hintergrund ist die Klägerin vorliegend hinsichtlich der - noch - ungedeckten Beerdigungskosten auf Ausgleichansprüche gegen ihre Geschwister, die Schwester U. C. und den Bruder P. V., zu verweisen. Denn aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ist nicht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts dargelegt, dass die Klägerin solche Ausgleichsansprüche nicht mit Erfolg realisieren könnte. So hat sie schon nichts dafür vorgetragen und durch nachprüfbare Unterlagen belegt, dass ihre Geschwister nach deren jeweiligen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage sind, die Restkosten der Beerdigung aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Es fehlt insbesondere an jedwedem substanziellen Vorbringen, welche konkreten Anstrengungen die Klägerin überhaupt unternommen hat, bestehende Ausgleichsansprüche gegenüber ihren beiden vorgenannten Geschwistern geltend zu machen und gegebenenfalls zu realisieren. Allein das Vorbringen der Klägerin, ihre Geschwister hätten „ihr gegenüber unmissverständlich zum Ausdruck gebracht .., dass sie im Hinblick auf die von ihnen erfolgte Ausschlagung der Erbschaft nicht bereit sind, sich an den Bestattungskosten zu beteiligen“, stellt keinen solchen substantiierten Vortrag dar. Eine kurze Internetrecherche des Gerichts unter www.yelp.de/biz/X hat z.B. ergeben, dass der Bruder P. V. der Klägerin offenbar Geschäftsführer einer in E. ansässigen Immobilienagentur (Fa. X GmbH) ist. Damit bestehen auch gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass der Bruder die hier streitigen restlichen Bestattungskosten aus eigenen Einkünften und/oder Vermögen bestreiten kann. Die Kammer interpretiert die Rechtsprechung des BSG zum Verbot des Verweises auf Ausgleichsansprüche dahingehend, dass ein Verweis des Sozialhilfeträgers hierauf nur dann ausgeschlossen ist, wenn das Bestehen eines Ausgleichsanspruchs bereits dem Grunde nach zweifelhaft ist. Anders ist aber dann zu entscheiden, wenn möglicherweise nur die Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen mit Schwierigkeiten verbunden ist und der Anspruchsteller selbst keine ernsthaften Bemühungen unternommen und nachgewiesen hat, bestehende Ausgleichsansprüche zu realisieren (vgl. hierzu auch Hess. LSG, FEVS 63, 521 ff.). Hier hat die Klägerin nicht einmal ansatzweise vorgetragen, ob ihre Geschwister z.B. erwerbstätig sind, wann und in welcher Form sie wegen der Übernahme der (ungedeckten) Beerdigungskosten auf Ableben der Mutter an ihre Geschwister herangetreten sind und wann und in welcher Form die Ablehnung der Kostenbeteiligung gegebenenfalls erfolgt ist. Es ist indes Sache des Hilfesuchenden - hier: der Klägerin - darzulegen und zu beweisen, dass anderweitige Ansprüche nicht bestehen oder nicht durchsetzbar sind (vgl. Hess. LSG, a.a.O. sowie LSG Schleswig-Holstein vom 09.10.2008 - L 9 B 434/08 SO ER, L 9 B 159/08 SO PKH - <juris>).

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4. Anders ist auch nicht mit Blick auf die in § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII dem Sozialhilfeträger eingeräumte Möglichkeit zu entscheiden, Ausgleichsansprüche der Klägerin gegen ihre Geschwister durch schriftliche Anzeige an diese bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf sich überzuleiten. Denn es ist aus Sicht der erkennenden Kammer nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers, bei zerrütteten innerfamiliären Verhältnissen ein Familienmitglied durch Überleitung von Ansprüchen gegen ein oder mehrere anderen Familienmitglieder bereits von vornherein davon zu entlasten, sich ernsthaft um einen Ausgleich der auf ihre Geschwister entfallenden Kostenanteile von jeweils einem Viertel bemüht zu haben.

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5. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

SG Karlsruhe, Urteil vom 28. November 2014 – S 1 SO 903/14

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